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“Kein Talent sollte seine Träume zu früh begraben”

Seit Januar 2022 ist Marin Plisic bei Berner Oberland Tennis verantwortlich fürs Regionalkader. Der 27-Jährige sagt, was er verändern will, was er von den Talenten verlangt – und weshalb er in Kroatien leiden musste.

Marin, du bist seit Anfang Jahr Chef des Regionialkaders von BO-Tennis. Für diejenigen, die dich noch nicht kennen: Wer bist du?
Marin Plisic: Ich bin in Bern aufgewachsen und habe dort den Weg zum Tennis gefunden. Relativ schnell schaffte ich es ins Berner Jugendkader – und die Liebe zu diesem Sport wurde schnell grösser und grösser. Eine Zeit lang träumte ich von einer Profikarriere und trainierte entsprechend viel und seriös. Aber ich realisierte, dass der Weg enorm steil und steinig ist und dass es mir auch vom Talent her leider nicht reichen wird. Also setzte ich mir ein neues Ziel fürs Leben: Trainer zu werden.

Wie alt warst du, als du diesen Entschluss gefasst hast?
Ich war 20, als ich meine ersten Stunden gab. Das war noch während der Ausbildung zur KV-Lehre, die ich mit der Handelsschule kombinierte. Die Berufsmatura brach ich dann ab. Mein Herz fürs Tennis schlug einfach zu stark, so kam für mich ein Studium nicht mehr in Frage. Ich erhöhte mein Pensum in Bern und gab dann auch ein halbes Jahr in Thun in der Tennisschule von Marko Leutar Unterricht. Im August 2020 hatte ich dann die Chance, den frei gewordenen Platz von Roger Meylan in Thun zu übernehmen. Ich habe meine eigene Tennisschule eröffnet – das war ein Meilenstein.

Du wolltest Profi werden. Wie sah in dieser Zeit dein Alltag aus?
Mit 16 ging ich nach Deutschland in die Akademie von Niki Pilic, der als Coach fünfmal den Davis-Cup gewann. In der Akademie hatte ich von Montag bis Freitag jeweils vier Stunden Tennistraining in der Gruppe und eine Konditionseinheit. Zusätzlich servierte ich alleine jeden Tag vor oder nach dem Training cirka 30 bis 60 Minuten lang. Ich lebte zwei Jahre in der Umgebung von München, danach wechselte Pilic zurück in seine Heimat nach Kroatien – und ich ging mit ihm. Meine Eltern kommen aus Kroatien, für mich war das kein schwieriger Schritt. In Kroatien wechselte ich den Trainer, weil ich individueller trainieren wollte. Also Privat oder Halbprivat.

Gibt es Unterschiede in den Trainingsphilosophien zwischen der Schweiz und Kroatien?
Oh ja, vor allem bezüglich Intensität auf dem Platz! Als Junior trainierte ich in der Schweiz eigentlich nie wirklich hart. Vier Stunden Tennis und noch eine Konditionseinheit pro Tag lagen locker drin. In Kroatien kam ich dann auf die Welt, nach drei Stunden Tennis war ich am Ende. Ich brauchte ungefähr ein halbes Jahr, bis ich wieder in der Lage war, dreieinhalb bis vier Stunden trainieren zu können. Man muss nur auf die neue Generation um Carlos Alcaraz blicken: Wie die sich auch unter grösster Belastung bewegen, das ist der Wahnsinn.  Aber vor allem die Psyche ist entscheidend im Tennis

Du warst selbst ein ambitionierter Spieler. Hilft dir dieser Umstand in der Arbeit mit deinen Junioren?
Ja, sehr sogar. 80 Prozent meines Wissens habe ich von meinen Trainern respektive den Trainingseinheiten, die ich erlebt habe, erworben. Ich bin noch relativ jung, also ist noch vieles frisch bei mir. Ich war ein harter Arbeiter, aber kein riesiges Talent. Ich kann mich gut in Junioren hineinversetzen. Als Mensch hat mich die Zeit, in der ich wie ein Profi trainierte, jedenfalls gestärkt.

Was willst du den Talenten im BO-Tennis-Kader vermitteln?
Da komme ich nochmals mit dem Punkt Intensität. In jedem Talent steckt mindestens zehn Prozent mehr, als es denkt. Alle haben Reserven in sich. Die gilt es auszuschöpfen. Zudem möchte ich, dass niemand zu früh den Bettel hinschmeisst und seine Ambitionen und Träume begräbt. Man weiss nie, wo der Weg hinführt.

Welche Veränderungen möchtest du im Regionalkader einführen?
Ich möchte den Teamspirit stärken, beispielsweise mit Camps. Solche Erlebnisse inspirieren und motivieren. Zudem sollen die Talente im mentalen Bereich geschult werden. Sportpsychologin Stephanie Müller wird regelmässig an den Zusammenzügen dabei sein und Inputs geben. Überdies will ich das Doppelspiel früher als bisher fördern, und es dürfte zu einer Zusammenarbeit mit Bern Tennis kommen, im Training wie auch im Turnierwesen.

Schlummert im Regionalkader das Potenzial, um auch an den nächsten Schweizer Meisterschaften Medaillen zu holen?
Auf jeden Fall. Die Spitze ist zwar schmal, aber wir sind auch ein kleiner Verband. Und im U10-Team von Nadja Rindlisbacher stossen einige sehr talentierte Girls und Boys nach.

Interview: Philipp Rindlisbacher